Hier die Bücherliste und der Vortrag für Mittwoch
Bücher lesen ist wie eine Reise
Die Begegnung mit neuen interessanten Menschen und Orten. Ein neues Buch aufzuschlagen ist jedes Mal ein Abenteuer.
Wohin wird es mich führen?
Wir Literaturfreunde haben uns jeden Monat gemeinsam auf ein solches Abenteuer eingelassen.
Gestartet sind wir im Januar 2018 mit einer amüsanten kleinen Geschichte von Wilhelm Raabe -der darin, wie in all seinen Erzählungen – eine große Sympathie für die kleinen Leute zeigt:
Die Gänse von Bützow – nach einer wahren Begebenheit zur Zeit der französischen Revolution in Deutschland. Den Gänsekrieg gab es in echt! Aribert Marohn brachte das bei Schmalzbroten und Punsch zum Jahresanfang in einer grandiosen Performance – um es neudeutsch zu sagen.
Im Februar ging es um Frauen und ihre Geschichte im 20. Jahrhundert, also um die jenigen, die das Ganze am Laufen hielten:
Altes Land von Dörte Hansen begeisterte uns, gerade ist ihr neues Buch Mittagsstunde erschienen. Ulla Hahn und ihre Tetralogie Spiel der Zeit , das ist der dritte Band, ist härtere Kost, zeigt das Erwachen des sozialen und geschichtlichen Gewissens in der Bundesrepublik – also eigentlich unsere Jugend….
Carmen Korn hat ebenfalls das 20. Jahrhundert im Blick startet ihre Reihe zu Beginn des Jahrhunderts mit Töchter einer neuen Zeit. Jetzt neu liegt Zeitenwende vor, der Abschluß.
Eher amüsant und komisch vermischt Anne Gesthuysen große Lebensgeschichten mit wunderbaren Anekdoten „Wir sind doch Schwestern“ – jüngst auch verfilmt im Fernsehen. Ihr neues Buch heißt Mädelsabend.
Eine wunderschöne Liebesgeschichte, ein Juwel von einem Buch, das Mut macht auch im Alter diesbezüglich nicht zu resignieren, hatten wir für den März ausgesucht: Unsere Seelen bei Nacht, übrigens auch grandios verfilmt mit Jane Fonda und Robert Redford. In der Diskussion zeigte sich, daß dieser Roman von Kent Haruf doch sehr amerikanisch ist, unsere Teilnehmer versicherten glaubhaft, sie hätten sich ihr Lebensglück nicht von den Kindern vermiesen lassen.
Anrührend, unterhaltsam und wunderbar erzählt: Die Freiheit der Emma Herwegh,. Spiegeljournalist Dirk Kurbjuweit beschreibt das ungewöhnliche Leben dieser als reiche Kaufmannstochter geborenen Revolutionärin und frühen Vorkämpferin der Frauenrechtsbewegung – und Gattin des Dichters Georg Herwegh, den sie ob seiner feurigen Verse kennen lernen wollte. Sie ritt wie der Teufel, schoss mit Pistolen, badete nachts im Meer und rauchte. Mit 25 war sie übrigens noch unverheiratet, trotz der guten Mitgift, das Treiben war den Männern doch suspekt. Wolfgang Pyka Klie verlor in der Fülle der Figuren nicht den Überblick.
Eine Geschichte vom Verlieren und Finden von Büchern und Menschen, ein Roman über die Liebe, die Liebe zu Büchern und ein höchst unterhaltsames Roadmovie mit einem alten Bücherkahn die Seine entlang ist das Lavendelzimmer von Nina George ( die anderen Bücher der höchst vielseitigen Autorin möchte ich nicht empfehlen ). Der Duft von Lavendel und der Provence schwebte nicht nur über dem Buch. Wir hatten hausgemachte Brötchen mit Lavendelhonig.
Warmherzig, witzig und zugleich boshaft war Das Nest von Cynthia D’ Aprix Sweeny, das in New York spielt, wohin uns Gabriele Canstein mit Hilfe des Stadtplans entführte. Eine verwöhnte Familienbande muß sich nach dem Ausbleiben der erwarteten Erbschaft auf sich selbst besinnen und findet sich und ihre eigenen Stärken: Fazit, Familie ist schrecklich aber letztlich eine Bastion.
Im Juli gab es eine riesige Büchertasche von Neuerscheinungen zum Auspacken, sozusagen alles zum Thema Beziehungen und im Juli haben wir uns selber ein bißchen vorgestellt und ein paar Lieblingsbücher.
Indien, man muß nicht mehr hinfahren, wenn man dieses Buch gelesen hat, so sehr erlebt man die Farben, die Gerüche, diese vielschichtige Welt, die so fremd und so faszinierend ist – Die Rückkehr nach Samthar. Eine Frau reist zu einem fast mystischen Ort ihrer Kindheit. Anna Katharina Fröhlich schreibt eigenwillig und quer zum Zeitgeist, ist eine scharfe Beobachterin und ohne Scheu vor überschießender Beschreibungsopulenz. Sie gilt als bunter Vogel im Schwarm der deutschen Gegenwartsliteratur.
Wissen steht in dem beschriebenen Indien übrigens nicht hoch im Kurs. Bücher gelten als Zeitvertreib für Menschen, die zu alt für die Liebe geworden sind.
Ebenfalls um eine versunkene Welt geht es in Keyserlings Geheimnis. Klaus Modick erzählt – ausgehend von einem Aufenthalt am Starnbergersee bei dem der Maler Lowis Corinth ein Bildnis des Grafen anfertigt, das ihn in geradezu faszinierender Häßlichkeit zeigt, die fiktive Lebensgeschichte des Außenseiters, adligen Dandys und „baltischen Fontane“ Graf Eduard von Keyserling. Ein Künstlerroman, ironisch, atmosphärisch , klug und spannend. Wir ließen aber auch Keyserling selbst zu Wort kommen, in Wellen ist er ein grandioser Erzähler einer nutzlos gewordenen Gesellschaftsschicht, der untergegangenen Welt des baltischen Adels.
Die untergegangene Welt des Empire, very british hatten wir dann bei Jane Gardem Die Leute von Privileg Hill. Grandios wie sie die Rückkehrer aus den Kolonien beschreibt und die verarmten Damen von einstiger Größe schwärmen läßt, mit Witz und Warmherzigkeit den gesellschaftlichen Abstieg zeichnet. Und ihnen den Spiegel vorhält. Das überraschende Ende ist ungeheuer sarkastisch und entlarvend.
Im Dezember gab es dann quasi literarisches Kino Der Wein und der Wind machte nicht nur die Literaturkreis Teilnehmer sondern viele vom Kolleg glücklich. Und da Heide Steinmannn vom Jubiläum noch ein bißchen Geld über hatte, gabs Wein und Käsebrötchen dazu.
Gestartet sind wir dann fast schon traditionell mit Schmalz und Punsch und wieder mit Wilhelm Raabe. Aribert Marohn brachte uns Raabes Frauenbild und das Frauenbild seiner Zeit nahe.
Eine wahre Sternstunde erlebten wir im Februar: Gabriele Canstein stellte uns nicht nur Karen Duves Roman Fräulein Nettes letzter Sommer vor sondern brachte uns die Dichterin Annette von Droste Hülshof eindringlich und liebevoll nahe. Sie alle kennen vielleicht nicht ihre Gedichte aber erinnern sich an ihr Bild vom 20 DM Schein.